Verteidigerin: Wer ist eigentlich Herr Visker?
Außergewöhnlich sei dieses Strafverfahren – damit leitete Verteidigerin Gaby Münchhalffen ihr Plädoyer für Ex-Firmenvorstand Bernhard Visker ein.
Außergewöhnlich, weil sich ein gesamter Bankvorstand für ein einzelnes Geschäft verantworten müßte, andere Verfahren hatten viele Transaktionen zum Gegenstand gehabt oder den Erwerb einer ganzen Bank. Außergewöhnlich sei der Prozess auch deshalb, weil die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsgruppe als erstes zu dem Ergebnis gekommen sei, keinem HSH-Vorstand ist ein “strafrechtlicher Vorwurf zu machen”. Der Austausch der Gruppe eröffne für Münchhalffen die Frage – die bis heute ungeklärt sei – ob dazu “politischer Druck” geführt habe. Die Verteidigerin warf auch die Frage auf, warum die Strafkammer kein Zwischenverfahren angeregt hatte, um mittels eines Gutachtens die Vorstandsvorlage zu beurteilen. Damit wäre den Beteiligten vielleicht ein langes, zähes Verfahren erspart geblieben.
Das zur Klage stehende Finanzgeschäft Omega 55 nannte sie “nicht alltäglich, aber durchaus ein normales Geschäft”.
Wer ist eigentlich Herr Visker?
Diese Frage stellte die Verteidigerin ihren Gedanken zur personellen Verantwortung ihres Mandanten vornweg. Das Verfahren habe gezeigt, dass Herr Visker namentlich nicht vorkomme, ausgenommen bei der Aussage von Hans Berger und als Name in der Vorstandsvorlage. Sie schilderte Visker als “Gewächs der Hamburgischen Landesbank” und, dass er nicht verantwortlich für die Geschäfte des Kapitalmarktes war, er also keine Ressortverantwortung trug. Er verantwortete als Vorstand u.a. die Firmenkunden, war Ansprechpartner für die Sparkassen und die Niederlassung in Luxemburg. Unzweifelhaft sei, dass Visker weder in die Vorbereitung von Omega 55 eingebunden war noch Kenntnisse von den Vertragsdokumenten hatte. (Visker unterschrieb die Vorstandsvorlage als Vierter.) Er verfügte auch nicht über Sonderwissen, so Münchhalffen. Und deshalb durfte sich Visker auf die federführenden Ressortvorstände verlassen. “Nicht jeder Entscheider muss alles wissen” zitierte Münchhalffen sinngemäß einen Urteilsspruch; sie führte diverse Urteile u.a. vom BGH, um ihre Auffassung zu belegen.
Bernhard Visker habe nur dann die Verpflchtung ein Geschäft zu stoppen, wenn die Kompetenz der Ressortvorstände in Frage stehe oder das Risiko zu groß sei. Beides traf bei Omega 55 nicht zu. Und deshalb, so die Strafverteidigerin, kann Bernhard Visker ein strafrechtlich relevantes, pflichtwidriges Verhalten nicht angelastet werden. Und vorsätzliches Verhalten scheide aus.
Im Grunde war damit alles gesagt. Münchhalffen, die als letzte Strafverteidigerin plädierte, brachte in ihrer Verteidigungsrede keine neuen Aspekte zu den bereits bei den anderen Verteidigern gehörten. Die Rede ähnelte im Aufbau und in der Argumentationslinie der ihres Vorredners und Kanzleikollegen Norbert Gatzweiler.
Informiert, geprüft, zweifelsfrei – Freispruch
Hier noch einige Kernaussagen: Visker war “umfänglich und zutreffend von den Mitarbeitern informiert” worden; die Vorstandsvorlage war nicht erkennbar mangelhaft; Visker hatte keinen Anlass, Nachfragen zu stellen, u.a. deshalb, weil in einer Vorstandsvorlage das Ergebnis des Prüfprozesses der Fachbereiche stehe; das Gutachten von Wirtschaftsprüfer Christoph Hultsch könne wegen der offensichtlich zutage getretenen “fehlenden Fachkenntnis” nicht vom Gericht herangezogen werden; Visker durfte auch darauf vertrauen, dass die Risikofachleute der Bank Omega 55 ordnungsgemäß prüfen und es abgelehnt hätten, wenn es “geschäftsschädigend” gewesen wäre.
Sie forderte für ihren Mandanten nach eineinhalb Stunden Plädoyer Freispruch.
Damit aber beließ sie es nicht, sondern stellte noch drei Hilfsbeweisanträge, für den Fall, dass das Gericht vorhabe, ihren Mandanten zu verurteilen. Sie beantragte u.a., den Bruder ihres Mandanten als Zeugen zu vernehmen, um zu beweisen, dass Bernhard Visker nicht wusste, dass “financials”, also Bankanleihen oder -kredite, im Teil-B von Omega 55 einsortiert waren. Und sie will als Zeugen die englischssprachigen (Ex)-HSH-Mitarbeiter Paul D. und Steven P. vom Gericht vernehmen lassen. (Steven P. soll allerdings der Staatsanwaltschaft gegenüber mitgeteilt haben, dass in der HSH unter “corporates” AUCH “financials” verstanden wurden, also Unternehmen; würde P. das vor Gericht wiederholen, würde ein entscheidendes Verteiderargument implodieren.)
Für Bernhard Visker fordert die Staatsanwaltschfat 10 Monate Haft, ausgesetzt auf Bewährung zu 2 Jahren und einer Geldbuße von 40.000 Euro.
Über die Hilfsbeweisanträge von Gaby Münchhalffen und der anderen Verteidiger muss das Gericht noch vor einer Urteilsverkündung entscheiden.
Foto: Nikolaus Herrmann