Schiffskredite: “Wir werden nie genau erfahren, was wir gekauft haben.”

Plenarprotokolle zu lesen ist doch immer wieder spannend – wie dieser Auszug aus dem Kieler Landtag vom 20. Juli 2016.

Tobias Koch, Abgeordneter der CDU-Fraktion weist in seiner Rede darauf hin, dass er als Abgeordneter selbst heute die wesentlichen Details über die von der HSH abgekauften Schiffskredite nicht kennt. Und die Kieler Regierung – wie auch der Hamburger Senat – diesen Zustand nicht ändern wird und es auch nicht will.

Zitat S.58 (bzw. S. 10326)      

Als Begründung für die fehlenden Informationen hieß es damals im Dezember, es müsse zunächst einmal das Portfolio definiert werden.

Als das dann im Frühjahr dieses Jahres geschehen war, hieß es als Begründung für die fehlenden Informationen, dass wir die erst bekommen könnten, wenn uns die Schiffskredite auch wirklich gehören würden, also erst nach dem Kauf der Papiere.

Und jetzt, wo sie uns gehören, heißt es: Jetzt gibt es aber die schutzwürdigen Interessen der Kreditnehmer, und das Bankgeheimnis ist höher anzusiedeln als die Informationsrechte des Parlaments.

Mit anderen Worten: Wer die Kreditnehmer sind, welche Schiffe wir tatsächlich erworben haben, ob diese Schiffe einen gültigen Chartervertrag haben oder erwerbslos vor Anker liegen – all diese Informationen bleiben uns auch weiterhin vorenthalten. Das heißt mit anderen Worten: Wir werden nie genau erfahren, was wir da eigentlich wirklich gekauft haben.

Nur eines wissen wir ganz genau, und das ist der Kaufpreis: rund 2,4 Milliarden €. Wir können den sogar auf die letzte Nachkommastelle beziffern.

Darauf erwiderte unter anderem Rasmus Andresen von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN:

Wir haben Informationen über die übertragenen Schiffspapiere bekommen.

Wir wissen, dass nicht alle übertragenen Kredite weiter bedient werden, sie haben nur noch den Schrottwert der Schiffe. Für andere Kredite mag noch Hoffnung bestehen.

Charterprognosen, Dollarkurs, Finanzblasen: Wir wissen, welche großen Risiken es gibt. Deswegen wurden die Kredite von der EU auch so streng bewertet, mit großen Abschlägen auf die ohnehin schon geringen Werte. […] Die Differenz aus dem Kreditausfallwert in den Büchern und dem ermittelten Marktwert führt dazu, dass die Verluste aus der Ländergarantie ausgeglichen werden müssen. Das beeinflusst auch die Eigenkapitalwirkung: Mit zunehmender Inanspruchnahme der Garantie sinkt das Eigenkapital der Bank.

Um nicht unter die vorgegebene Mindestgrenze der Bankenaufsicht zu rutschen, hat die Bank nicht ausschließlich die allerschrottigsten Papiere ausgewählt und zudem bis jetzt nicht den ganzen möglichen Übertragungswert von 6,2 Milliarden € in Anspruch genommen.

Würde die Bank unter die von der EU vorgegebene Eigenkapitalquote rutschen, hätten wir nicht einmal mehr die Möglichkeit, sie geordnet zu privatisieren. […]

 

Und Torge Schmidt von den PIRATEN:

Alle Eckdaten der Kredite wie Höhe, Zins, Tilgungsraten, Zahlungsintervalle, wann die letzte Zahlung stattgefunden hat, Zeitpunkte von Fälligkeiten, ob es überhaupt Charterverträge für die Schiffe gibt, können öffentlich nicht kommuniziert werden. Ich glaube, dass das ein großes Problem ist, denn so können wir der Öffentlichkeit nicht erklären, wie werthaltig dieses Portfolio ist. Das sind entscheidende Informationen.

Was bleibt, ist das Gutachten, das wir in Auftrag gegeben haben.

Die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers haben sich dieses Portfolio angeguckt. […] Aber nach unserem Transparenzanspruch von modernem Verwaltungshandeln, den wir definiert haben, gehört ein Gutachten dieser Art eigentlich an die Öffentlichkeit. […]

Wir müssen uns allerdings auch keine großen Illusionen machen. Wir brauchen auch keinen Gutachter oder Wirtschaftsprüfer, um zu wissen, dass das, was die HSH Nordbank uns übertragen hat, nicht das Beste vom Besten ist. Im Gegenteil, die HSH Nordbank hat uns mit Sicherheit das Negativste vom Negativsten gegeben.

 

Wie sich die von den Ländern gekauften, notleidenden Schiffskredite zusammensetzen (Übertragungsportfolio), dazu finden sich einige Informationen im Umdruck Nr 6390 des Kieler Landtages, das den Abgeordneten präsentiert wurde. Ohne Namen kreditnehmender Reeder.

Besonders interessant: 97 Prozent der Schiffskredite sind nicht in Euro ausgegeben worden, sondern in US-Dollar. Bei Krediten für Schiffsneubauten ein übliches Vorgehen, weil internationale Werften in Dollar bezahlt werden. Banken gehen mit solchen Finanzierungen zum Ausfallrisiko des Kreditnehmers noch ein Währungsrisiko ein.

Öffentlich heißt es immer, die hsh portfoliomanagement werde 2,4 Milliarden Euro für die Schiffskredite an die HSH bezahlen. Die Rede ist nie von US-Dollar. Aus einem Umdruck des Kieler Landtages geht aber hervor, dass die portfoliomanagement “zur Vermeidung der sich aus dem Portfolio ergebenden Wechselkursrisiken (…) die erforderliche Refinanzierung in jeweiliger Währung aufnehmen” wird. Das hieße, die AöR bzw. die Länder leihen sich am Kapitalmarkt für den Kauf der Schiffskredite vor allem US-Dollar*, nicht Euro … Damit übernehmen sie zusätzlich zum Verlustrisiko auch noch ein Währungsrisiko in ihre Haushalte.

Auch das dürfte ein Novum in der bundesdeutschen Geschichte sein, dass sich ein Bundesland in einer Fremdwährung in Milliardenhöhe verschuldet.

Öffentlich einsehbar sind bisher nur Euro-Anleihen der hsh finanzfonds AöR in Höhe von insgesamt 2,15 Milliarden Euro. Die hsh portfoliomanagement ist bisher mit einer öffentlichen Euro-Anleihe über 250 Millionen an den Kapitalmarkt herangetreten.

 

* Nachtrag Jan. 2017:
Tatsächlich hat sich die portfoliomanagement am Kapitalmarkt US-Dollar geliehen, stolze 2,87 Milliarden. Das geht aus dem vertraulichen, ersten Quartalsbericht der Abwicklungseinheit für die Zeit vom Juni bis September 2016 hervor.) Als Brückenfinanzierung wird diese Milliarden-Verbindlichkeit gegenüber anderen Banken genannt. Sie soll im Laufe des Jahres 2017 wohl in Anleihen umgeschichtete werden.    

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