Nonnenmacher redet. Und redet sich mit Datum heraus.
Dirk Jens Nonnenmacher hat in seiner Rede am 2. September, dem 12. Prozesstag, im Großen und Ganzen das wiederholt, was er bei früheren Gelegenheiten zu seiner Rolle beim Geschäft Omega 55 bereits gesagt hatte, in den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Hamburg und Kiel beispielsweise. Eigene Fehler, organisatorische Mängel in der Bank und die fehlende Risikokultur sprach er aber nicht an.
Etwas Neues war dennoch dabei. Die Sache mit dem Datum auf der Vorstandsvorlage für Omega 55. Im Datum liegt eine gewisse Sprengkraft.
Die Sache mit dem Datum: viel später unterschrieben
Nonnenmacher besteht jetzt darauf, dass er bei der Vorbereitung auf den Prozess sich das Schriftstück noch einmal genauer angesehen und die Umstände rekonstruiert hat. Dabei sei ihm aufgefallen, dass er die Vorstandsvorlage erst am 29.12.2007, in seinem Weihnachtsurlaub, unterschrieben haben, gleichzeitig mit anderen Dokumenten, und nicht, wie bisher angenommen, am 19.12.2007. Das Datum sei also falsch.
Mit seiner Unterschrift habe er das Überkreuzgeschäft auch lediglich „zur Kenntnis genommen“, sagte Nonnenmacher. Denn seiner Ansicht nach war es längst genehmigt, weil es als „Eilbeschluss“ deklariert war – von Immobilienvorstand Peter Rieck. Nach den internen Zuständigkeitsregeln der HSH stimmt das.
Ein Geschäft im Eilbeschluss, so heißt es dort, braucht für seine Genehmigung lediglich zwei Vorstandsunterschriften. Handelt es sich allerdings um einen Großkredit, und das ist der Knackpunkt, muss der GESAMTVORSTAND UNVERZÜGLICH seine Unterschrift nachholen. Als Gesamtvorstand gelten – ebenso nach der internen Zuständigkeitsrichtlinie – vier Vorstände: zuerst der jeweilige Ressortvorstand, dann sein Stellvertreter, es folgt der Vorstandsvorsitzende und der Risikovorstand. Von einem „zur Kenntnis nehmen“ steht nichts in dieser Richtlinie.
Was war Omega: Großkredit oder normaler Kredit?
Das ist wichtig in diesem Prozess. War Omega ein Großkredit?
Als „Großkredit“ ist gemäß § 13 Kreditwesengesetz ein Kredit immer dann einzustufen, wenn er mehr als 10 Prozent des haftenden Eigenkapitals der Bank ausmacht. Das Eigenkapital ist der Verlustpuffer einer Bank. Das Omega 55-Geschäft lag mit 2,4 Milliarden Euro deutlich über dieser 10-Prozent-Grenze. Es war folglich ein Großkredit. Zu dieser Einschätzung kommt jedenfalls ein vertrauliches Gutachten.
Großkredite aber müssen – wiederum gemäß Kreditwesengesetz – ALLE Vorstände unterschreiben und nicht nur vier, wie das die interne Zuständigkeitesregeln der HSH Nordbank vorsahen.
Das Gericht wird dieses Zuständigkeits-Wirrwar aufdröseln und bewerten.
Ich presche mal vor und fasse zusammen: Wenn Omega 55 ein Großkredit war, mussten alle 6 Vorstände unterschreiben, und dann wäre es egal, wann Dirk Jens Nonnenmacher seinen August unter die Vorstandvorlage gesetzt hat, ob am 19. oder 29.12.
Sowieso: Zum Selbstbeurteilen — das sind Datum und Nonnenmachers Unterschrift unter Omega 55. Wer da eine 19 oder 29 erkennt – Hut ab!
Am Schluss seiner etwa 40 minütigen Rede hat Dirk Jens Nonnenmacher noch Staatsanwalt Karsten Wegerich direkt angegriffen. Der hätte ihn gar nicht vernehmen wollen, erst auf Drängen von Nonnenmachers Anwalt durfte der Ex-Vorstand aussagen, ihm wurden aber keine Fragen gestellt von Staatsanwalt Wegerich. Dieser ließ ihm lediglich ausrichten: „Er wisse, was zu tun sei.“
Nonnenmachers Rede, sinngemäß zitiert
Der Ex-Vorstand beginnt mit „sehr geehrter Herr Vorsitzender, hohes Gericht“. Seine Gedanken hat er in vier Abschnitte gegliedert.
Zuerst spricht er über seinen Eintritt in die Bank am 1. Oktober 2007.
Sein Posten des Finanzvorstands war neu geschaffen worden. Zu seinen Aufgaben gehörte das Ressort Steuern, das Rechnungswesen, das Finanzcontrolling. Nonnenmacher betonte auch, wofür er nicht zuständig war: für Recht, den NPNM-Prozess, die Niederlassung London und auch nicht für Meldungen an die Bankenaufsicht BAFIN. Das fiel in die Verantwortung von Risikovorstand Hartmut Strauß.
Das herausragende Ziel
Nonnenmacher ging dann auf den für 2008 geplanten Börsengang ein; er sollte ihn federführend begleiten. „Für den geplanten Börsengang war die Kapitalmarktfähigkeit der HSH Nordbank ein herausragendes Ziel.“ Dafür hatte die Bank massiv neue Kredite vergeben, mehr als geplant.
Nonnenmacher machte sich anschließend klein und meinte, er sei „kein Sachverständiger bei der aufsichtsrechtlichen Risikoerfassung und Kapitalunterlegung“. Er versicherte, dass unter Basel-I „Liquiditätsfaszilitäten unter einem Jahr aufsichtsrechtlich als risikolos galten“, ganz gleich, wie viel ökonomisches Risiko in ihnen steckten. (Teil B von Omega war so eine Liquiditätsfaszilität, die der Bank 400 Millionen Euro Verlust bescherte.) Unter Basel-II sollte sich das ändern. Aber dafür sei das Risikoressort zuständig gewesen.
Nonnenmacher betonte auch, dass er nie ein Experte für Aufsichtsrecht war und es auch heute nicht ist. Und in Richtung Staatsanwaltschaft sagte er sinngemäß: Nur wer sich inhaltlich nicht mit Basel I beschäftigt hat, kann zu der abwegigen Einschätzung kommen, dass bei Omega 55 schon Laien hätten erkennen können, dass die risikoentlastende Wirkung nicht eintreten könne.
Rundum-Vertrauen
Dann kam er zu Omega selbst und wiederholte, dass er zu „keinem Zeitpunkt in die Planung, Vorbereitung, Ausgestaltung, Umsetzung und Überwachung der Transaktion persönlich eingebunden war“. Er habe nur die Kreditvorlage erhalten.
Außerdem sagte er, dass er „volles Vertrauen in die Organisation der Bank, der Mitarbeiter und den langjährig erfahrenen Kollegen im Vorstand“ hatte. Weder aus der Revision noch von den Wirtschaftsprüfern und der Bafin seien Warnungen gekommen. „Ich habe auf die langjährige Erfahrung der Bank vertraut.“
Für Omega 55 gab es seiner Aussage nach zwei Vorstandsvorlagen. Auf der ersten war Omega als „Großkredit“ angekreuzt. Auf einer zweiten Vorlage zu Omega 55, die letztlich unterschriebene, habe dann aber das Kreuzchen bei Großkredit gefehlt. Deshalb hätten nur vier Vorstandsunterschriften geleistet werden müssen.
Kein Großkredit
Nonnenmacher betonte explizit, dass nach bankinternen Regeln (siehe Zuständigkeitsrichtlinie) eine Zustimmung des Finanzvorstands, der er ja war, gar nicht notwendig war. Er selbst war sich sicher, dass Omega 55 kein Großkredit war. Und dass seine Unterschrift nach den internen Regeln nicht erforderlich war. Für ihn war Omega 55 „nichts weiter als eine Kenntnisnahme“.
Von den Nebenabreden zu Omega 55, dem Sideletter, habe er erst aus den Akten erfahren.
Und er sei davon überzeugt gewesen, „die Subprime-Krise sei vorübergehend und würde nicht auf die Realwirtschaft übergreifen“.
Voreingenommener Staatsanwalt
Ganz zum Schluss griff der Angeklagte die Staatsanwaltschaft an, die ihm auch die Fälschung der Bilanz zum 31.03.2008 vorwirft. Ihm, Nonnenmacher, zu unterstellen, „eine strafrechtlich relevante Fehlbilanzierung vorgenommen zu haben“, sei mehr als lebensfremd. Außerdem will er keine Fragen der Staatsanwaltschaft beantworten, weil er sie für voreingenommen hält.
Fragen des Gerichts will er aber beantworten, aber nur mit Fragenkatalog vorab und schriftlich ausgearbeitet.
Ich finde es auffällig, dass Herr Nonnenmacher immer dann wenn es eng wird, auf einmal kein Experte für das jeweilige Thema sein möchte. Bereits in der Vergangenheit wurde ja festgestellt, dass er zum damaligen Zeitpunkt angeblich kein Kapitalmarktexperte war. Nun also auch „kein Sachverständiger bei der aufsichtsrechtlichen Risikoerfassung und Kapitalunterlegung“.
Nun ja. Grundkenntnisse in den genannten Themen werden aber sicher zur der erforderlichen Qualifikation als Geschäftsleiter gehören – zumal bei einem Institut der Größenordnung der damaligen HSH Nordbank.
KWG 13a Abs 1 Satz 3
Für ein Handelsbuchinstitut besteht ein Gesamtbuch-Großkredit, wenn die Gesamtheit der Kredite an einen Kreditnehmer (kreditnehmerbezogene Gesamtposition) 10 vom Hundert der Eigenmittel erreicht oder überschreitet;
Nach dem Geschäftsbericht der HSH betrugen die Eigenmittel 12,9 Mrd Euro zum 31.12.2007 – 10% davon wären also 1,29 Mrd Euro.
Selbst wenn man vom Vorstand vielleicht nicht erwarten kann, dass er die Einzelheiten der Vorschriften über Großkredite im Detail kennt, so ist doch vielleicht eine Art “Überschlagsrechnung” zumutbar und bei Geschäften in dieser Größenordnung geboten ?
Auf mich wirkt sein “Nichtexpertentum” auch nicht glaubwürdig. Wer in einer so gehobenen Position arbeitet und Finanzvorstand ist, der MUSS Kenntnisse aufsichtsrechtlicher Natur haben, schon aus professioneller Neugier. Bei Prof. Nonnenmacher ist es schon dreimal nicht glaubwürdig, weil er, ja wie es scheint, ein sehr heller Kopf ist. Promotion und Habilitation innerhalb von 2 Jahren, dazwischen ein Medizinstudium etc. Und dann will er nicht viel Ahnung haben, wie Aktiva mit Eigenkapital zu unterlegen sind? Nunja.
Und die Sache mit dem Großkredit. Hier führt Nonnenmacher das Argument ins Feld, das am Ende alle Banker anbringen: Es ist VIEL komplexer, als es aussieht, hier: zu berechnen, was ein Großkredit ist. Und es geht eben nicht einfach mal so, wie Sie das getan haben, so überschlagsmäßig, und wie ich es tun würde. Nein, so einfach ist es nicht, sagt der Prof. Da lohne sich “ein Blick auf die komplizierten Großkreditrichtlinien der §§ 13 KWG ff”. Was an der Berechnung so kompliziert ist, erklärte er aber nicht. Stattdessen teilte er lieber aus, von oben herab.
Vielleicht befragt ihn das Gericht ja nochmal dazu, Schriftlich, versteht sich. Obwohl er vor den Parmlamentarischen Untersuchungsausschüssen auch frei geredet hat. Aber da war er ja nicht offiziell angeklagt.