Nach den Plädoyers: Was ist mit diesen Fakten? (und mit vielen anderen … )
Die Verteidigersicht:
Die Strafverteidiger haben für ihre Mandanten gekämpft. Ihre Plädoyers waren lang, jedes anders und rechtlich teils defizil ausgeklügelt.
Als Essenz bleibt davon hängen – je nach Ressortverantwortung etwas anders ausgeprägt:
Die Vorstände haben sich ausreichend bis bestens informiert gefühlt und den Mitarbeitern vertraut; mögliche Mängel in der Vorstandsvorlage waren nicht zu erkennen, die Vorstände waren nicht ressortverantwortlich und / oder haben die Vorlage zu Omega 55 nur zur Kenntnis genommen; die Entscheidung für Omega 55 war unternehmerisch vertretbar und wurde zur Stärkung der HSH getroffen; die Vorstände haben sich sicher mit der Verbriefung in Teil-B gefühlt; sie hatten kein Sonderwissen und: sie brauchten keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Organisation der Bank zu haben. Die Vorlage war k/ein “Eilbeschluss”.
Die Untersuchungssicht:
Allein in den Gutachten der Kanzlei Freshfields und den Abschlussberichten der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein werden dagegen u.a. diese Fakten erwähnt. Sie widersprechen (teilweise) der Verteidigersicht – ganz abgesehen von den Erkenntnissen aus dem Untreue-Verfahren.
Zur Erinnerung: die Vorstände unterschrieben Omega 55 zwischen dem 17. und 21. Dezember 2007:
Die Deutsche Bundesbank hat in einem Gutachten (MaRisk-Sonderprüfung) vom 17.9.2007 den Vorständen mitgeteilt, dass das Risikomanagement der Bank zahlreiche Mängel aufweise, insbesondere im NPNM-Prozess und in den Datenbanksystemen. Besonders die Dokumentation und Kommunikation war mit Schwächen behaftet (Abschlussbericht Kiel S. 68). Diese Fehler stufte die Bundesbank als “gewichtig” ein und besprach diese “Feststellungen” offenbar bereits am 19. Juli 2007 mit “der Fachabteilungen und dem Vorstandsmitglied Herrn Friedrich ()“, so der Abschlussbericht der Hamburger S. 248. Und die Innenrevision der Bank kam im November 2007 zu dem Schluss, “dass die Bank systemisch nicht in der Lage war, auf Gesamtbankebene die Konzentrationsrisiken zu messen.”
Die Bundesbank forderte von der HSH “aufgrund der nennenswerten Bestände in derivativen und strukturierten Produkten” () “deutlich weitergehende Analysen“.
Außerdem mußte die HSH im 4. Quartal 2007 täglich an die Bankenaufsicht Bafin melden, wie viel Geld die HSH Nordbank zur Verfügung hatte. D.h., die Liquiditätssituation der HSH war sehr angespannt; dennoch genehmigen die Vorstände einen “Dispo” für die BNP Paribas (eine Liquiditätsfaszilität, Bestandteil des B-Teils von Omega 55).
Die Kanzlei Freshfields hatte in ihrem Rechtsgutachten festgestellt:
- Ressortzuständig bei Omega 55 waren die Vorstände Friedrich, Rieck, Strauß,
- die Vorstandsvorlage zu Omega 55 wies erhebliche, teils gravierende Mängel auf und
- einige Vorstände haben ihre Sorgfaltspflicht verletzt.
Bereits im Herbst 2007 bat zudem der HSH-Vorstand den Aufsichtsrat, Alternativen zum Börsengang “zu erwägen” – wegen der Auswirkungen der Subprime-Krise. Das sollen Aufsichtsratsprotokolle zw. September und Dezember 2007 belegen (Abschlussbericht Hamburg S. 68) (Omega 55 wurde v.a. mit Ziel einer EK-Entlastung genehmigt, um für den Börsengang gut dazustehen.)
Die HSH schrieb 2007 auf ihr Kreditersatzgeschäft 1,3 Mrd Euro ab (in GuV “verarbeiten”). Teil-B von Omega 55 hätte in diesem riskanten Kreditersatzgeschäft gebucht und gemanaged werden müssen, wurde tatsächlich aber in London “verbucht” (Abschlussbericht Hamburg S. 395)
Der Anwalt von Dirk Jens Nonnenmacher verweist darauf, dass die Vorstandsvorlage zu Omega 55 ein “Eilbeschluss” im Sinne der internen Zuständigkeitsrichtlinie war, Peter Riecks Anwalt verneint das. Eine interessante, rechtlich-diametrale Auslegung. (ab S. 370 Kieler Abschlussbericht, siehe auch Plädoyers)
… …
Da haben sie nun gefühlt, vertraut, sich bestens informiert, delegiert, kein Sonderwissen gehabt – es hat alles nichts genützt. Unsummen von Geld sind kaputt.
Also wie das passieren konnte ist mir jetzt völlig schleierhaft.