HSH Milliardenschaden: Keiner fühlt sich verantwortlich

Dieser Tage ist mir beim Ordnen meiner eMails der Satz eines Bekannten ins Auge gefallen, der auch meine Gedanken hinsichtlich des Desasters der deutschen Landesbanken trifft, inbesondere der HSH Nordbank. Der Bekannte, ein Bankjurist, schrieb mir:

“I find it amazing that these bankers can loose hundreds of millions, indeed billion around the world — but no one is responsible or held to account.”

(“Ich finde es erstaunlich, dass diese Banker Verluste von hunderten Millionen bzw. Milliarden rund um die Welt verursachen können – und keiner ist dafür verantwortlich oder wird haftbar gemacht.”

Diese Frage stelle ich mir auch immer wieder, wenn ich mich mit der HSH Nordbank beschäftige und an den Milliardenschaden denke, den die HSH in den Länderhaushalten sehr wahrscheinlich verursachen wird. Noch sind es lediglich Millionenschäden in den Haushalten (die schon schmerzlich genug sind). Dabei wird es aber nicht (mehr) bleiben.

Zu viele Fehler

Dieser Milliardenschaden ist  vor allem durch Fehlentscheidungen, Inkompetenzen und Desinteresse ihres Managements, also der Vorstände, und der regierenden Politiker als Vertreter der Hauptanteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein verursacht worden. Das ist nicht zu zerreden. Wer diese Zusammenhänge leugnet, verfolgt entweder eigene Interesssen oder weigert sich, die öffentlich einsehbare, umfangreiche Dokumentation zu lesen und einzuordnen.

Nach meinem Verständnis gehört zu unserem Rechts- und Wertesystem auch das Verursacherprinzip: Wer Schäden verursacht, haftet dafür, trägt also die Verantwortung und versucht sich in Wiedergutmachung.

Bei der HSH Nordbank – wie im gesamten Finanzsystem – scheint dieses Prinzip nicht zu gelten. “no one is responsible”. 

Keiner ist verantwortlich

Im HSH-Prozess, bei dem sechs frühere Vorstände der HSH Nordbank wegen schwerer Untreue bzw. Bilanzfälschung vor den Strafrichtern standen, hieß es: Die Ex-Bankvorstände waren “nicht beteiligt”, “nicht ressortzuständig”, nur “zur Kenntnis genommen”. Dennoch sind Milliarden Euro in der HSH unwiderbringlich futsch.

Die für die HSH mitverantwortlichen Politiker in Hamburg und Schleswig-Holstein seit 2003 stehen dem in nichts nach. Sie schieben sie sich immer noch gegenseitig die Schuld zu, anstatt sich hinzustellen und offen die Karten auf den Tisch zu legen. Stattdessen wird weiter Sätze wie diese strapaziert, z.B. in den Antworten zu kleinen Anfragen von Abgeordneten der Bürgerschaft – zumindest also in Hamburg:

“Im Übrigen führt der Vorstand der HSH das operative Geschäft der Bank in eigener Verantwortung. Der Senat sieht in ständiger Praxis davon ab, dies zu kommentieren.”

Na fein! Im Grunde ist es traurig für die Bürger und Bürgerinnen der beiden Nordländer. 

Wie von der Hamburger Finanzbehörde bestätigt, haben die Länder über ihre HSH finanzfonds AöR 2013 und 2014 pro Jahr rund 6,7 Millionen Euro für Beratungsleistungen an die Kanzleien Bain&Company und Linklaters LPP bezahlt. In dem Post “Eigentümer ringen um Zukunft der HSH und ihre Haushalte” hatte ich bereits darüber berichtet.

Länder schweigen und schweigen

600.000 Euro pro Monat geben die Länder seit zwei Jahren für die Beratung ihrer HSH-Beteiligung aus. Guter Rat ist in so einer komplizierten Situation Gold wert. Sicher. Und die Forderung mag durchaus berechtigt sein. Die zahlende Öffentlichkeit aber sieht nicht die Ergebnisse dieser Beratungen. Wenn die Abgeordneten nachfragen, z.B. in kleinen Anfragen, hält sich jedenfalls in Hamburg der Senat bedeckt und kommentiert die Geschehnisse in der Bank nicht. Und der Hamburger Senat lässt den HSH-Vorstand – siehe Zitat oben – auch vor sich hinwurschteln.

Wieso der Bank noch glauben?

Es ist nicht zu verstehen, dass die Länder anscheinend der Bank immer noch Glauben schenken angesichts der Fehlprognosen (die HSH ist 2012 wieder dividenenfähig), der Fehleinschätzungen (der Schiffsmarkt hat sich 2012 erholt), der Fehlberechnungen (den Ländern bleiben netto jährlich 220 Mio. Euro aus Garantiegebühren übrig) und offensichtlichen Politikern-an-der-Nase-herumführen-Reden (das von der Bank ausgearbeitete Sanierungskonzept ist alternativlos) der alten und neuen Vorstände der HSH Nordbank – nicht erst seit dem Crash 2008. 

Sehr interessante Bericht auf Blicklog.com zu den Mitteln, zu denen der damalige Vorstandsvorsitzende Nonnenmacher 2009 griff, um die Gefahren und benötigten Hilfsmilliarden klein zu reden: HSH-Nordbank-Chef baut Drohkulisse auf und rechnet Staatshilfen schön. 

Zur Neuausrichtung der HSH “genötigt”

Schon das “Sanierungskonzept” kam 2009 auf Druck der HSH Nordbank-Vorstände zustande und nicht, weil die Abgeordneten vom Konzept so überzeugt waren. Wie Parlamentarier berichteten, z.B. in einem Artikel 2012 die frühere Hamburger SPD-Abgeordnete Andrea Rugbarth, wurden die Parlamentarier zur Entscheidung “genötigt, ohne die entsprechenden Grundlagen zu kennen”. “Nur anhand von nicht sonderlich aussagekräftigen Folien” stimmten die Parlamentarierer 2009 für die 10 Mrd. Garantie und die 3 Mrd. Eigenkapital für die HSH. Aber nicht, weil sie das Zahlenwerk wie die Gewinn- und Verlustrechnung und z.B. den Unternehmenswert kannten und ihnen eine unabhängige Analyse der Zukunftschancen der HSH vorlag. Werner Marnette, Ex-Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, hatte diese “Nötigung” als erster in einem Spiegel-Interview thematisiert: Landesbanken: “Das ist ein Wahnsinnssystem”

Wann handeln Politiker untreu gegenüber den Steuerzahlern?

Haben die Parlamentarier 2009 ihre unternehmerische Entscheidung zur Freigabe der Milliarden also auf nicht ausreichend informierter Basis getroffen und Vermögensschäden billigend in Kauf genommen? Eine spannende Frage in diesem Zusammenhang.

Gestern debattierten die Hamburger Parteien in der Bürgerschaft in der Aktuellen Stunde über die Milliardenrisiken der HSH Nordbank. Es ging durchaus hoch her in der Aussprache. Substantielles wurde nicht gesagt, wie es weitergehen soll mit der HSH. Abspaltung einer Bad Bank? Abwicklung? Abwarten, bis der große Schrecken kommt? Letztlich hieß es: Details werden wenn im vertraulichen Teil des Ausschusses für öffentliche Unternehmen besprochen. D.h. hinter verschlossenen Türen.

 

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