Gericht nimmt sich erneut Zeit für Parteigutachter.

Fünf Tage hat das Gericht den von ihm bestellten Wirtschaftsprüfer Christopn Hultsch befragt. Dem Parteigutachter von Verteidiger Norbert Gatzweiler scheint die 8. Strafkammer des Landgerichts die gleiche Aufmerksamkeit schenken zu wollen. 

Parteigutachter Dr. Dieter Glüder, IKB-Vorstand, war am 44. Verhandlungstag zum dritten Mal geladen. Einen vierten Befragungstermin hat das Gericht auf den 17.März terminiert. 

Richter Volker Bruns befragte dieses Mal den als Gutachter geladenen Vorstand. Staatsanwaltschaft und Verteidigung müssen sich bis zum nächsten Termin gedulden. Grundlegend Neues soll die Befragung nicht erbracht haben, so andere Prozessbeobachter. Ich selbst konnte dieses Mal nicht im Gerichtssaal sein.

Das hatte Glüder bei seinen ersten beiden Auftritten vor Gericht ausgesagt:  

Omega war Ende 2007 für HSH ein günstiges Geschäft.  
Omega-Vorlage war vollständig und eindeutig.

 

3 Gedanken zu „Gericht nimmt sich erneut Zeit für Parteigutachter.

  • 20. Februar 2014 um 15:56
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    Schade, dass Sie nicht dabei waren.
    Die gestrige Anhörung (19.02.) von Dr. Glüder diente ja der weiteren Beantwortung von Fragen des Gerichts, im Wesentlichen von Richter Bruns – von den Verteidigern hörte man wenig. Vieles von dem, was Sie geschrieben haben wurde vertieft und bestätigt.

    Was habe ich aus der Anhörung mitgenommen? (ich habe Dr. Glüder gestern erstmalig gehört)
    1. Der Gutachter ist amtierender Vorstand der IKB (Risikocontrolling, Finanzen und Steuern). Er argumentiert sehr sicher und selbstbewusst und er lebt in seiner professionellen Auffassung sicherlich genau den Standpunkt, den er auch in seinem Gutachten vertritt: Die HSH Nordbank Credit Application (Vorstandsvorlage zu Omega-55) ist zur Beurteilung des Kreditrisikos ausreichend, der Gesamtvorstand kann sich auf die von den Fachabteilungen vorgenommenen Prüfungen verlassen. Die Ressortvorstände tragen die vorrangige Verantwortung und sind zuständig für die anschließende Umsetzung.
    2. Mit Teil A als Dokumenten Standard wurde das Ziel der Eigenkapitalentlastung erreicht. Der Vorstand konnte die Chancen und Risiken umfassend abschätzen und abwägen.
    Teil B konnte bis zum Closing am 21.12.2007 nicht fertiggestellt werden und wäre hinsichtlich der Prüfung auch sehr kostenträchtig und schwerer zu beurteilen. Einer Abschätzung der Risiken zukünftiger Perioden bedurfte es zu diesem Zeitpunkt jedoch auch noch nicht.
    3. Mit den im STCDO von Omega 55 hereingenommenen Kreditrisiken sei die HSH Nordbank besser gefahren als andere Banken. Diese CDO habe sich im Verlauf der Finanzkrise als „robuster“ erwiesen als andere im Kapitalmarkt. Man dürfe nicht vergessen, dass im Oktober 2008 mit der Lehmann-Pleite eine dauerhafte Wertberichtigung von 250 Mio. € vorgenommen wurde und man sich damit einer Problematik stellte, die schließlich ja alle Banken betraf.
    4. Wie Sie protokolliert haben, vertritt Dr. Glüder einen ganz anderen Standpunkt als der Wirtschaftsprüfer Hultsch. Ich vermute, Dr. Glüder sieht seine Sichtweise als operativ ausgerichtet und pragmatisch an, eben unternehmerisch. Es ist gut zu verstehen, dass sich dies mit der Sichtweise der angeklagten Vorstände deckt, die vor diesem Hintergrund die Anklage ja auch als „absurd“ bezeichnet haben.

    Leider habe ich die Beantwortung der spannenden Frage des Richters Bruns, wo Dr. Glüder die Grenze der Verantwortung zwischen Gesamtvorstand und Ressortvorstand zieht, nicht mehr mitbekommen. Dies ist doch die entscheidende Frage, ob sich der Gesamtvorstand hinter den Voten der Fachabteilungen und eines Ressortvorstands „verstecken“ kann.

    In Hamburg gibt es zwei unabhängige Banken in der Rechtsform der KGaA bzw. KG, die, soweit mir bekannt, in derartigen Risiken nicht verstrickt waren. Liegt dies etwa an der anders ausgerichteten unternehmerischen Haltung von persönlich haftenden Gesellschaftern als Geschäftsleitern einer Bank? Ich wüsste hierzu zu gern die Meinung der Mitinhaber.

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    • 21. Februar 2014 um 10:11
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      Vielen Dank für Ihre Infos.
      Es ist in der Tat sehr spannend, dass der IKB-Vorstand meint, ein Vorstand könne sich bei einem Milliarden-Geschäft auf die zuständigen Ressortvorstände verlassen, er delegiert also seine Verantwortung an sie. Die MaRisk und das KWG sehen so eine Delegation nicht vor. Es wäre interessant zu wissen, wie Dieter Glüder seine Ansicht mit den gesetzlichen Pflichten von Bankvorständen in Deckung bringt.

      Dieter Glüder stellt ja, wie Sie schreiben, auch fest, dass die Prüfung der Risiken von Teil-B sehr kostenintensiv und schwer gewesen wären. Dennoch hält er es offenbar für normal, so ein schwer abzuschätzenden Geschäft zu unterzeichnen. Ist das wirklich unternehmerisch, wie Sie schreiben? Für mich ist es das nicht. Ein Unternehmer, der mit seinem Privatvermögen haftet und Verantwortung trägt für seine Belegschaft, überlegt sich sehr genau die Risiken neuer Engagements. Wenn diese nicht zu beurteilen sind oder die Beurteilung zu kostspielig ist, dann würde jeder kluge Unternehmer entweder die Finger davon lassen oder Risikokapital einwerben – sich aber auf jeden Fall absichern. Denn sonst steht seine Existenz auf dem Spiel fast immer ohne doppelten Boden. Aus diesem Grund haben kleine Banken – genau wie Sie schreiben – diese komplexen Finanzkonstrukte auch nicht gekauft, weil sie so wenig fassbar waren wie Wackelpudding.

      Indem Dieter Glüder die Verantwortung den Ressortvorständen zuweist, weist er quasi mit dem Finger auf den Kapitalmarkt-, den Risiko- und Immobilienvorstand. Außen vor wären damit Finanzvorstand Nonnenmacher, Firmenvorstand Visker und Vorstandschef Berger.

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      • 24. Februar 2014 um 17:36
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        Ihre Antwort hat mich animiert, noch einmal Ihre Link-Sammlung in Ihrer „Postille“ durchzustöbern.

        Ich finde, man muss das Interview mit Werner Marnette, dem SH-Wirtschaftsminister in 2009, noch einmal lesen, um das Klima zu verstehen, in dem die Entscheidungen getroffen wurden, deretwegen der Vorstand heute vor Gericht steht. Da fällt einem nur Inkompetenz, Ignoranz und Arroganz auf allen Seiten ein. Das alles vor dem Hintergrund eines offensichtlich gigantischen Drucks zwischen unerfüllbaren politischen Erwartungen und riesenhaften Abschreibungen auf die eingekauften Kreditderivate.

        Da spielen vermeintlich vorteilhafte Eigenkapitalentlastungstransaktionen sicherlich nur eine ganz kleine Nebenrolle. Und ausgerechnet die werden nun zum alleinigen Anklagegegenstand. Das muss man wohl sehen, wenn Herr Nonnenmacher dazu sagt, die Vorwürfe seien „absurd und lebensfremd“ und Herr Rieck durch seinen Verteidiger “Die Anklageschrift verstelle den Blick auf die Tatsache, dass die Vorstände nicht eigennützig gehandelt haben, sondern als Angestellte der Länder mit der Zielsetzung, die Liquidität der Bank sicherzustellen”. Die Vorstände führen sich selbst ad absurdum: Sie wurden als Organe zur Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben vom Aufsichtsrat für die Aktionäre bestellt.

        Lässt man nur einmal den ganzen juristischen Schnickschnack weg und führt sich vor Augen, wie fehlerhafte unternehmerische Entscheidungen in Personengesellschaften zum Vermögensverlust führen können und zwar unabhängig davon, wer die direkte Verantwortung für die Fehlentscheidung hatte. Hier kann sich keiner hinter dem anderen verstecken, sie haften solidarisch. Dieses Prinzip führt dazu, dass jeder einzelne Gesellschafter für sich das Risiko und das Risikomanagement bewerten muss, um nicht selbst unterzugehen.

        Eine Möglichkeit zur Übertragung der Verantwortung von einem Vorstand auf den anderen würde diesem wirtschaftlich sinnvollen Prinzip grundsätzlich widersprechen mit, wie ich finde, sehr unangenehmen Folgen: Leichtfertigkeit, Uninformiertheit, Laissez-faire und Verantwortungslosigkeit würden Vorschub geleistet. Genau das scheint bei der HSH Nordbank zu dieser bedenkenlosen Handlungsweise geführt zu haben. Ich habe bisher nicht gehört, dass ein Vorstand seinerzeit Kenntnis genommen hatte von der permanenten Überlastungssituation in seinen Backoffices, die zur Vorsicht allen Anlass gab und auch nicht von vorstandsinternen Risikoüberlegungen und -berechnungen. Mit Eigenhaftung – siehe oben – wäre das anders gelaufen.

        Aus diesem Grunde ist die Grenzziehung der Verantwortung zwischen Gesamtvorstand, einzelnen Vorstandsmitgliedern und Ressortvorstand, wie ich finde, systematisch sehr problematisch. Ist nicht sogar das Gericht damit überfordert? An eine gesetzliche Einbeziehung „solidarischer Verantwortungsübernahme“ müsste der Gesetzgeber wohl noch einmal ran.

        §93 AktG fehlt übrigens in Ihren Links. RA Strate nutzt §93 AktG in seiner Anzeige.

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