Hoher Druck: kein Geschäft zuvor war wie Omega.

Am 14. Verhandlungstag hatten die Richter noch einmal Zeugin Sirka H. geladen, damals Mitarbeiterin der NPNM-Abteilung in der HSH. Im Zentrum der Befragung durch Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung stand das von der Zeugin zusammengestellte Votum zu Omega 55.

Dieses Votum pflückte Richter Bruns am Anfang der Befragung Satz für Satz auseinander, wie die Vorstandsvorlage für Omega 55. Das NPNM Votum umfasst zwei Seiten. (Aus Gründen des Persönlichkeitsrechts ist nur der Inhalt des Dokuments zu sehen ohne Unterschrift der Zeugin und ihrer Kollegin.)

Wichtige Aussagen der Zeugin Sirka H.:

Teil-A von Omega 55 konnte nicht in den Systemen der HSH einheitlich erfasst werden, nicht in der IT, nicht in der Buchhaltung, nicht im Bank-Controlling. „Das musste manuell erledigt werden. Das war ein Umstand, mit dem wir leben mussten.“

– Die Risikoabteilung konnte das Risiko für Teil-A nur abschätzen aber nicht bestimmen, weil ihr das dafür nötige Bewertungsmodell fehlte. Und die Abteilung hielt das Risiko nur deshalb für vertretbar, weil Teil-A nur kurz laufen sollte (bis April 2008).  

Zeuge Marc S., Koordinator von Omega 55 in London, hatte in einem Telefonat Anfang Dezember 2007 verneint, dass Teil-A und Teil-B von Omega wirtschaftlich miteinander verbunden seien. 

– Das NPNM-Votum datiert vom 14.12.2007. Erst um dieses Datum herum habe NPNM überhaupt den Vertragsentwurf (term sheet) zu Omega 55 Teil-A erhalten.
Alle Abteilungen prüften also Teil-A, während London die Konditionen ausarbeitete — und erteilten ihr Votum. An so etwas konnten sich die Kollegen zuvor nicht erinnern, so Zeugin H.

– Noch am 18.12.2007 lag der Koordinatorin Sirka H. keine schriftliche Stellungnahme der Rechtsabteilung vor, weil die zuständige Juristin Vera S. zu viel zu tun hatte. “Ich schaffe es nicht schriftlich”, soll sie H. in einem Telefonat gesagt haben. Daran erinnere sich Zeugin Sirka H. so genau, weil sie die Juristin Vera S. zuvor nie sprechen konnte. Einen Tag früher, am 17.12., hatten bereits die ersten beiden Vorstände die Vorstandsvorlage zu Omega 55 unterschrieben. 

– Das Votum beruht auf Textbausteinen, die die Arbeitsergebnisse der verschiedenen Abteilungen zusammenfassen, des Rechnungswesens, der Rechtsabteilung, des Risikocontrollings. Die Zeugin als Koordinatorin des NPNM-Prozesses hatte nicht die Aufgabe, die Aussagen zu hinterfragen.

– Es gab keine Stelle, in der alle Arbeitsergebnisse in einen Zusammenhang gestellt, analysiert, hinterfragt und bewertet wurden.

– Die Empfehlung, das Votum, trafen die beteiligten Abteilungen einstimmig. 

NPNM empfahl Freigabe unter strengen Auflagen

Im Grund sei das NPNM-Votum, „wir empfehlen die Freigabe dieses Geschäftes auf Basis einer Einzelgenehmigung.“, eine Vorweggenehmigung gewesen, sagte Zeugin Sirka H. auf Nachfrage von Richter Bruns. Das sei sehr ungewöhnlich gewesen, so etwas hätte die Betriebswirtin zuvor nicht erlebt (sie war seit einem Jahr als Koordinatorin in der Abteilung).

Zumal das Votum unter zahlreichen Auflagen erfolgte, weil noch zu viele Informationen fehlten. NPNM schrieb z.B. im Votum vor, dass vor Geschäftsabschluss die Abteilung Grundsatzfragen eine schriftliche Stellungnahme bei NPNM eingereicht haben muss, wie der geprüfte Teil-A zu bilanzieren und aufsichtsrechtlich zu behandeln sei.

Zentral überwacht habe keine Stelle in der Bank, wer was wann nachliefern muss und ob diese Abteilung das auch getan hat, so, wie es NPNM forderte. So ein Kontrollsystem gab es in der HSH nicht. Dabei war schon Teil-A von Omega “für eine Organisation wie die HSH” ein hochkomplexes Geschäft, wie die Zeugin berichtete.

Konnte Omega 55 wirklich profitabel sein?

Offensichtlich wird in der Befragung der Zeugin Sirka H., dass sie und Mitarbeiter in ihrem Umfeld sich schon gefragt haben, ob Omega 55 profitabel und sinnvoll für die HSH sei, weil es so viele Ungereimtheiten gab, die Risikoabschätzung schwierig war und das Handling manuell zu erfolgen hatte, was Fehler impliziert.

Die Zeugin H. berichtete über ihren Arbeitsalltag. Sie habe gewöhnlich zwischen 9 und 18 Uhr in Besprechungen gesessen und bis ca. 22 Uhr ihren Schreibtisch abgearbeitet. 12-Stunden-Tage waren „ganz normal“. Alle Kollegen hatten im laufenden Jahr 2007 schon viele Überstunden angesammelt, die Kollegen seien überlastet gewesen.

Höchste Priorität für Omega

Ob der Zeugin gesagt worden sei, dass Omega 55 für die Bank einen hohen Stellenwert habe, fragte Richter Bruns. Die Londoner Financial Institutional Group als Auftraggeberin für den Prüfprozess hat Omega 55 eine hohe Priorität zugeschrieben, antwortete die Zeugin. Es gab Prioritätslisten, was zuerst abgearbeitet werden musste, und daran habe sich NPNM gehalten. Prioritäten habe es u.a. deswegen gegeben, weil NPNM personell unterbesetzt war. Selbst wenn der Vorstand direkt von der schwierigen Personalsituation bei NPNM gewusst hätte, hätte sich nichts geändert, äußerte Zeugin Sirka H. Die Arbeit wäre deswegen nicht weniger geworden.

Direkter Druck, den Prüfprozess mit einem positiven Votum abzuschließen, sei nicht ausgeübt worden, sagt die Zeugin. Aber: Sie sei ungewöhnlich oft von ihrem übergeordneten Vorgesetzten, den M1-Leiter der Kapitalmarktsparte, T., gefragt worden, wie der Stand bei Omega sei. Was ungewöhnlich war, weil die Zeugin gewöhnlich nicht an T. berichtete sondern an ihren Gruppenleiter M.

Der M1-Leiter T. hat in der polizeilichen Vernehmung interessanterweise gesagt, dass er die Aussage von Frau Sirka  H. nicht nachvollziehen könne, dass er sie regelmäßig gefragt habe, wie weit sie mit Omega 55 sei. Denn H. war ihm gegenüber nicht berichtspflichtig. Diese Ungereimtheit veranlasste die Verteidigerin von Bernhard Visker, Münchhalffen, zu der Frage an die Zeugin, wer sich denn hier richtig erinnere? 

Zeugin H. nüchtern: Ich kann mich nur an Dinge erinnern, an die ICH mich erinnere.  

Sie sei jedenfalls nicht angewiesen worden, Teil-A freizugeben (in der polizeilichen Vernehmung hatte sie sich allerdings so geäußert, dass dieser Verdacht nahe lag).

Gefühlter Druck, Omega als positiv zu bewerten

London habe wohl bei ihrem Vorgesetzten M. öfter nachgehakt, weil London fand, NPNM in Hamburg arbeite zu langsam. Sie habe wegen dieses ständigen Nachfragens geschlussfolgert, „dass ein hoher Erledigungsdruck bestehe, und dass es für die Bank wichtig sei, die Transaktion positiv abzuschließen“.

War die Abteilung zu langsam, hakte Bruns ein? Kritik haben wir fast immer abbekommen, erzählt die Zeugin, was sie manchmal schon als unfair empfand. Sie habe aber dafür gesorgt, dass die Arbeit ihres Teams geschätzt wird in der Bank.

(Einschub:  Am 29. Verhandlungstag äußerte sich Lars F., ein Kollege aus der Abteilung NPNM, ebenfalls zur Frage, ob die Prüfung von Omega 55 durch NPNM “ergebnisoffen” gewesen sei. Darauf antwortete Lars F.: Nein, es sollte schon positiv beschieden werden. Ein Nein hätte “der Markt” nicht hingenommen, der Markt sei in diesem Fall die Londoner Filiale gewesen und damit ihr Leiter Luis Marti-Sanchez. Hätte NPNM “Nein” zu Omega gesagt, wäre es in das nächste Gremium gegangen. Der Zeuge was also deutlicher in seiner Aussage als seine Kollegin Sirka H.)

Was fehlte wirklich? Zeit oder Antrag?

Am Ende verhedderte sich die sicher formulierende Zeugin in einen Widerspruch.

Richter Bruns lässt nicht locker, warum die Zeugin nur Teil-A prüfen ließ, ohne Teil-B.

Die Zeugin sagte, dass einfach keine Zeit mehr für Teil-B und er auch zu unkonkret war. „Wir hätten Omega 55 als Ganzes nicht in wenigen Tagen durch den NPNM-Prozess bringen können, technisch und prozessual war so was noch nie dagewesen.“ Also entschied man sich: wir prüfen nur Teil-A.

In der Befragung zuvor, am 13. Prozesstag, hatte sie noch gesagt, der fehlende Produktantrag für Teil-B sei der Grund gewesen, dass sie Teil-B nicht angesehen haben.

Was nun: Zeitmangel oder fehlender Produktantrag aus London? Die Zeugin klärte den Widerspruch nicht auf.
 

3 Gedanken zu „Hoher Druck: kein Geschäft zuvor war wie Omega.

  • 23. September 2013 um 09:21
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    Im PUA Bericht aus Hamburg (Seite 132) wurde mit Berufung auf das Freshfields-Gutachten ausgeführt:

    “Für den A-Teil wurde am 14.12.2007 die sog. Neue-Produkte-Neue-Märkte-(NPNM)- Freigabe erteilt, der B-Teil hat trotz entsprechender Anfragen keinen solchen Prozess durchlaufen, nachdem sowohl der Markt als auch die Einheit NPNM die Transaktion als vergleichbar mit einer bereits gebilligten Transaktion eingestuft hatten.”

    Wurde dazu etwas gesagt ?

    Das widersprüchliche Verhalten der Zeugin am Ende deutet ja auch darauf hin, dass es möglicherweise eine bewusste Entscheidung war, den zweiten Teil der Transaktion nicht zu prüfen.

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    • 23. September 2013 um 19:28
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      Der A-Teil wurde am 14.12. freigegeben, ja. Der B-Teil hat den Prozess nicht durchlaufen. Strittig ist aber, WARUM nicht.
      NPNM hat laut der Zeugin S.H. nicht gesagt, dass sei ein bekanntes Geschäft. Das hat wohl eher die Marktseite, also London, gesagt. NPNM verweist immer wieder darauf, dass über Teil-B zu wenig bis gar keine Informationen vorlagen und deshalb eine Einordnung nicht exakt erfolgen konnte.
      Strittig ist auch, wann NPNM z.B. klar wurde oder die Info erhielt, dass Teil-B keine normale Liquiditätsfaszilität ist, sondern ein “Total Return Swap”, der das Risiko von Marktpreisschwankungen beinhaltet. War es noch Ende Dezember, um den 18. herum oder erst im Januar 2008? Beides ist anders zu bilanzieren und der Swap hätte den NPNM-Prozess durchlaufen MÜSSEN, das sagte Zeugin S.H. ja selbst.
      Hier geht einiges durcheinander.
      Ich werde demnächst mal aufdröseln, wer wann was gewußt haben soll von den Mitarbeitern.
      Manchmal sieht es so aus, als ob der Marktbereich, also London, nicht mit allen Infos rausgerückt ist, um den Prozess eventuell zu beschleunigen …

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    • 23. September 2013 um 19:31
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      Zur bewussten Entscheidung, Teil-B nicht zu prüfen. Bewusst war die Entscheidung sicherlich getroffen worden. Aus welchem Grund aber ist eine der entscheidenden Fragen, die die Zeugin eben nicht zweifelsfrei hat beantworten können.
      War es Zeitmangel oder fehlte der Prüfantrag aus London. Vielleicht war es beides und die Zeugin hat pragmatisch entschieden.
      Außerdem: Wissen Sie noch, was sie vor 6 Jahren wann entschieden haben? Da kann auch manches verschütt gehen.

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