Bankenaufsicht BaFin hat Omega 55 nicht geprüft.
Der 27. Verhandlungstag gehörte der Bankenaufsicht BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Geladen war die für die HSH Nordbank zuständige Abteilungsleiterin.
Ruth B., 49 Jahre alt, Juristin und Beamtin, war 2007 Leiterin der Fachaufsicht über drei Landesbanken, heute hat sie eine andere Referatsleitung innerhalb der Bafin übernommen.
BaFin prüft nicht selbst
Ruth B. erklärte dem Gericht, dass die BaFin nicht selbst die Bücher der Banken prüft, sondern sich ansieht, ob die Banken die gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Regeln und Vorschriften einhalten. Die Bücher der Banken und ihre Jahresabschlüsse (=Bilanzen) prüft in Arbeitsteilung die Deutsche Bundesbank. Außerdem fragt die BaFin bei den Banken Daten ab, sie „lassen sich berichten“, sagte Ruth B.
Mitte 2007 sei es nun so gewesen, dass die BaFin „massive Bedenken“ hatte, in welchem Umfang die Landesbanken in komplizierte Finanzprodukte (=Kreditersatzgeschäft) investiert waren, und ob sie dafür genug Geld als Verlustpuffer beiseite gelegt hatten.
Es habe deshalb auch bei der HSH Nordbank Gespräche auf Vorstandsebene gegeben, im November 2007 stellte die Bafin dann eine Anfrage an die HSH, wie umfangreich ihr Kreditersatzgeschäft sei und ob sie kapitalentlastende Transaktionen (wie Omega 55) durchführt. Im Januar 2008 antwortete die HSH darauf, teilte der BaFin aber nur Teil A von Omega 55 mit, nicht das ganze Geschäft.
BaFin uninformiert über Teil A+B
Rückblickend, sagte Juristin Ruth B., hätten wir erwartet, dass beide Teile von Omega 55 an uns berichtet werden, da sie aneinander gekoppelt waren. „Von Teil B aber hatten wir keine Kenntnis!“
Erst im November 2008 erhielt die BaFin nach Aussage der Zeugin R. von Teil B Kenntnis, als Vorstandschef Hans Berger bei der Bafin anrief (!) und einen Millionenverlust in dreistelliger Höhe meldete, verursacht durch Teil B von Omega. Die Bankenaufsicht BaFin verhängte daraufhin ein Bußgeld gegen die HSH, wegen „nicht richtiger und vollständiger“ Information. Die Höhe des Bußgeldes ließ die Bafin-Mitarbeiterin unerwähnt.
(Die “Nichtmeldung” kostete der zuständigen HSH-Juristin, der Zeugin Vera S., letztlich den Job, so zumindest kommunizierte es Finanzvorstand Dirk Jens Nonnenmacher später.)
Keine eigene Sonderprüfung
Und: Die BaFin leitete eine Schwerpunktprüfung ein, aber keine Sonderprüfung. Für diese schwerpunktmäßige Prüfung bediente sich die BaFin der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Diese hatte 2008 von der HSH erstmals das Mandat erhalten, den Jahresabschluss zu prüfen. Weil KPMG erstmals in die Bücher der Landesbank blickte, hatte die BaFin „Vertrauen in KPMG“, so Ruth B. Wie die Zeugin sich erinnerte, erging aber wohl kein schriftlicher Prüfauftrag an KPMG, daran könne sich Ruth B. nicht erinnern. Sie habe sich vielmehr mit den KPMG-Prüfern zusammengesetzt und die Forderungen der Bankenaufsicht besprochen; B. sagte dabei klar, “was ich will”.
Bezahlt hat am Ende die HSH Nordbank die Prüfgesellschaft KPMG, und nicht die Aufsicht, obwohl KPMG ein sehr umfangreiches Gutachten für die Bankenaufsicht erstellt hat. Dieser Bericht legt unglaublich viele Mängel vor allem im Risikomanagement der HSH offen, weshalb er bis heute von der HSH gehütet wird wie ein Staatsgeheimnis.
aus dem Prüfungsbericht der Wirtschaftsprüfer von KPMG, 2008:
„Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass den Marktverantwortlichen aufgrund fehlender Zeit, fehlender Kompetenz und fehlender Unterlagen teilweise die Grundlage für ein marktunabhängiges Urteil fehlte. (…) Es bestehen deutliche Hinweise auf eine nicht sachgerechte Risikokultur in der Bank.“
Motiv für Omega 55 rätselhaft
Ein schlüssiges Motiv, Omega 55 einzugehen, sieht Ruth B. nicht. Die HSH hatte eine gute Eigenkapital-Quote, brauchte ihre Bilanz aus Sicht der Bankenaufsicht BaFin gar nicht aufzubessern. Gehört hatte sie aber, dass die HSH interne Kennziffern und „Risikobudgets“ nicht eingehalten hatte. Nachgefragt hat die Bankenaufseherin in Hamburg oder Kiel aber nicht, ob das stimmt.
Omega 55 als Ganzes hat die BaFin übrigens nie geprüft, sie hatten keinen Anlass dazu, zu fragen, ob Omega aufsichtsrechtlich in Ordnung war. Denn 2008 war Teil-A bereits gekündigt worden, erklärte Ruth B.
Bafin hätte Omega nicht anerkannt
Hätte die BaFin von Omega 55 aber gewusst, hätte die HSH also vollständig berichtet, hätten „wir eine risikoentlastende Wirkung nicht akzeptiert“, so Ruth B. Anders ausgedrückt: Omega war wirtschaftlich sinnlos für die Bank.
Dem Geschäft St. Pancras, das die HSH auch 2007 beschlossen hatte und Omega 55 ähnlich war, bescheinigte die Bankenaufsicht BaFin keine risikoentlastende Wirkung.
Komplexes prüfte BaFin auf Anfrage doch vorab
In einer früheren Vernehmung ging es schon einmal um die Bankenaufsicht und ob denn komplexe Geschäfte wie Omega 55 nicht vorab der Aufsicht vorgelegt werden, um deren Meinung einzuholen. Die BNP Paribas hatte das sogar bei Geschäftsanbahnung verlangt.
Die in der HSH zuständige Juristin Vera S. hatte das verneint. Es sei unüblich, die BaFin vorher einzuschalten und zu fragen, außerdem dauere das viel zu lange.
Ruth B. widersprach dem in ihrer Vernehmung. Sie erklärte, dass es sehr wohl üblich war, dass Institute neue oder spezielle Geschäfte mit der Bafin vorab besprachen. „Wirklich komplexe Transaktionen hat unser Grundsatzreferat vorgelegt bekommen.“ Und das war meist auch in wenigen Tagen erledigt.
Für Ruth B. war Omega 55 eine komplexe Transaktion. Aber, sagte sie auch: Wenn eine Bank sagt, sie verstehe das, sei das für die Aufsicht o.k.
Die HSH gehörte zu den Banken, die das Angebot der Aufsicht nicht nutzten, erzählte die Bankenaufseherin. Bei der HSH sei es eher unüblich gewesen, zur Bafin Kontakt aufzunehmen.
Stellt sich die Frage, warum die Rechtsabteilung der HSH das soweit von sich gewiesen hat, die Bankenaufsicht BaFin zu fragen, ob Omega 55 aufsichtsrechtlich einwandfrei ist.
Das ist schon erstaunlich wie die Wirtschaftsprüfer – hier die KPMG – es schaffen, bei den ganzen Mandaten und Aufträgen den Überblick zu behalten, natürlich niemanden benachteiligen oder bevorzugen.
Hier also Abschlussprüfer der HSH Nordbank, von dieser bestellt und bezahlt, und gleichzeitig Auftragnehmer einer Sonderprüfung der Bankenaufsicht. Und nirgends ist ein Interessenkonflikt in Sicht ?
Zumindest erahnen kann man diesen Konflikt mit dem Blick auf den Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers im Geschäftsbericht der HSH Nordbank für das Geschäftsjahr 2008 (verfasst von KPMG):
“Unsere Prüfung hat zu keinen Einwendungen geführt.
Nach unserer Beurteilung aufgrund der bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse entspricht der Konzernabschluss den IFRS, wie sie in der EU anzuwenden sind, und den ergänzend nach § 315a Abs. 1 HGB anzuwendenden handelsrechtlichen Vorschriften und vermittelt unter Beachtung dieser Vorschriften ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns. Der Konzernlagebericht steht in Einklang mit dem Konzernabschluss, vermittelt insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage des Konzerns und stellt die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend dar.
Ohne diese Beurteilung einzuschränken (!), weisen wir auf die Ausführungen im Lagebericht im Abschnitt „Neuausrichtung der HSH Nordbank“ sowie im Konzernanhang unter Ziffer 1 hin. Dort ist dargelegt, dass der Fortbestand der HSH Nordbank AG davon abhängt, dass eigenkapitalstützende Maßnahmen in ausreichendem Umfang vorgenommen werden, so dass die aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen eingehalten und die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) hinsichtlich der Kernkapitalquote erfüllt werden. Hierzu ist insbesondere erforderlich, dass…”
Also im ersten Teil alles super, Business as usual, und dann werden die Alarmglocken geläutet, denn “der Fortbestand der HSH Nordbank” scheint von einigen Bedingungen abzuhängen.