Erste rechtliche Würdigung des Gerichts.
Die Materie, mit der sich das Gericht im Prozess gegen die 6 früheren HSH-Vorstände beschäftigt, ist kompliziert und komplex, selbst für ausgesprochene Kenner. Im Mittelpunkt steht das Milliardengeschäft, das den Namen Omega 55 erhielt. Mit Omega 55 wollten die Vorstände das Verlustrisiko der Bank senken und somit das Eigenkapital schonen, so sagen sie. In der Bilanz sollte die HSH für den geplanten Börsengang im Jahr 2008 kapitalstärker dastehen, als sie es eigentlich war.
Der verlustreiche “Dispositionskredit”
Für dieses Geschäft gründete die HSH Nordbank extra eine Zweckgesellschaft in der Steueroase Jersey Islands; sie ging Beteiligungen mit der Gegenpartei BNP Paribas ein und räumte der zu BNP Paribas gehörenden Omega Capital Funding Ltd. eine Art Dispositionskredit über einmal 2 Milliarden und weitere 400 Millionen Euro ein.
Dieser “Dispo” war letztlich mitentscheidend für die Beinahpleite der HSH Nordbank Ende 2008, denn die BNP Paribas hatte im Finanzkrisenhochjahr den “Dispo” über die Zweckgesellschaft bis zur Höhe von 312 Mio in Anspruch genommen. Geld, das die HSH liefern musste. (Am Ende kamen 400 Mio Euro “Dispo” zusammen.)
Am Ende des 26. Verhandlungstag wartete das Gericht mit einer ersten rechtlichen Würdigung von Omega 55 auf, bezogen auf diesen “Dispo”, in der Fachsprache: Liquiditätsfaszilität.
Der zweite Richter im Verfahren, Volker Bruns, fasste ein Kurzgutachten zu Vertragsdetails von Omega 55 zusammen. Erstellt hat es die weltweit tätige Anwaltskanzlei DLA Piper. Die Anwaltskanzlei hatte die Bedingungen zu untersuchen, unter denen die BNP Paribas diese “Liquiditätsfaszilität” in Anspruch nehmen durfte — laut Kreditantrag und Vertragsunterlagen. Ihr Fazit ist für den angeklagten Vorstand wenig schmeichelhaft.
Hintertür für BNP Paribas, keine für die HSH
Die Kanzlei DLA Piper kam zu dem Schluss: Die BNP Paribas hat sich vertraglich eine Hintertür offen gehalten, um auf jeden Fall den Dispo im Teil B von Omega 55 in Anspruch nehmen zu können, auf Kosten der HSH Nordbank. Und es war auch die BNP Paribas, die es in der Hand hatte, wann die Bedingungen erfüllt waren, den Dispo zu ziehen, nicht die HSH. Die HSH-Vorstände haben dieser Hintertür zugestimmt, ohne sich selbst abzusichern.
Richter Bruns referierte die komplizierten Details etwa 10 Minuten lang, ohne einmal auf seine Notizen zu blicken. Leider las er nicht die entsprechenden Textpassagen aus den Verträgen vor, sodass es für uns Prozessbeobachter schwer ist, die Details des Gutachtens zu verstehen.
Er sprach von “potential event of default”, von “loss events”, Repros, von “defaulted assets” und “Liquiditätsfaszilitäten für jedes asset”. Das Gutachten ist für die Öffentlichkeit nicht einzusehen, die Verteidiger haben es erhalten.
Gericht wartet noch mit eigener Auslegung
Wie das Gericht das Kurzgutachten auslegt, darüber wollte Richter Bruns noch nichts sagen. Er sagte aber: Dass sich die BNP Paribas eine Hintertür offen gehalten hat, sagt etwas über mögliche Ziele der BNP Paribas bei Omega 55 aus.
Die angeklagten Vorstände stimmten zwischen dem 17. und 20. Dezember nacheinander Omega 55 zu, zuerst Immobilienvorstand Peter Rieck, als letzter Kapitalmarktvorstand Joachim Friedrich. Sie unterschrieben die so genannte “Credit Application”, übersetzt: den Kreditantrag, besser: Schriftsatz. Dieser Schriftsatz umfasst 7 Seiten mit zwei Anhängen. In ihm wird Omega 55 erklärt, die Fachabteilungen wie Risiko, Accounting und Recht nehmen in den Anhängen Stellung, wie sie das Geschäft einschätzen (gut und handhabbar für die Bank oder zu riskant und rechtlich bedenklich).
“Repros” sind eigentlich Repos, eine Abkürzung für ein “Repurchase Agreement” – auf Deutsch “Rückkaufvereinbarung”, also ein typischerweise durch Wertpapiere besichertes, kurzfristiges Darlehen.
siehe hier
http://de.wikipedia.org/wiki/Rückkaufvereinbarung
Ein wichtiges Mittel der Refinanzierung, sowohl für Banken als auch für “Structured Investment”-Vehikel, wie Omega 55.
Danke!